Suche nach Vermissten und Toten durch Suchdienste
Mehr als 50 Jahre Suche nach meinem Urgroßvater :
Alle 4 Brüder meines Urgroßvaters kamen aus dem Krieg zurück.
1946 gaben sie eine Suchanzeige beim DRK Suchdienst München auf.
Eine Suchanzeige hing auch aus im Lager Friedland, dem Auffanglager für Heimkehrer aus russischer Kriegsgefangenschaft.
Ein Kriegskamerad des Urgroßvaters meldete sich. Er berichtete, dass sie beide gemeinsam in Kriegsgefangenschaft geraten seien. Das große Lager wurde aufgeteilt und sie wurden dadurch getrennt. In beiden Lagern waren viele Gefangene an Typhus erkrankt. Der Urgroßvater sei damals schon krank gewesen.
1976, also nach 30 Jahren, meldete sich das DRK mit einer Antwort.
G U T A C H T E N
Über das Schicksal des Verschollenen
Franz L a r i s c h, geb. 4.4.1914
Truppenteil: Korps-Nachrichten-Abteilung 48
Vermisst seit Anfang 1943
DRK-Verschollenen-Bildliste Band FJ, Seite 67
Für den Verschollenen liegt ein Hinweis vor, dass er bei den Kämpfen um Stalingrad in Gefangenschaft geraten ist. Auf eine Suchanfrage an das Sowjetische Rote Kreuz wurde mitgeteilt, dass die Nachforschungen nach seinem Verbleib zu keinem Erfolg führten. Diese Auskunft des Sowjetischen Roten Kreuzes zwingt zu der Schlussfolgerung, dass der Verschollene bald nach seiner Gefangenschaft verstorben ist,
noch bevor er namentlich registriert werden konnte.
München, den 10. September 1976
Jahrzehnte gingen vorüber, in denen meine Urgroßmutter immer noch darauf hoffte, etwas über ihrem Mann zu erfahren. Im Jahr 1999 starb sie.
Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge sucht noch immer nach den Gräbern ehemaliger deutscher Kriegsgefangener.
In den im Internet veröffentlichten Namenslisten-Listen fand meine Großmutter auch den Namen ihres Vaters. Aber auch dort war über sein Schicksal nicht mehr zu erfahren als aus den Suchergebnissen des DRK.
Die Sowjetunion gab es nicht mehr. Viele Akten in den ehemals streng geheim gehaltenen Archiven durften nun eingesehen werden. Suchende bekamen Auskünfte über Personen, die sie 1976 nicht erhalten hätten.
Eines Tages las meine Großmutter in der Zeitung von der Liga für Russisch-Deutsche Freundschaft,
die behilflich war, nach im Krieg Vermissten zu suchen.
Sie schrieb an diese Liga und erhielt einen Fragebogen. Dort musste sie alles eintragen, was sie über ihren Vater wusste. Sie schickte auch alle Suchergebnisse des DRK von 1976 mit.
Am 25. Juli 2000 erhielt sie aus Moskau einen Brief:
Sehr geehrte Frau Siwik!
Mit großer Zufriedenheit informieren wir sie, dass unsere umfangreiuche Sucharbeit an Ihrem Auftrag beendet ist.
Wir können Ihnen mitteilen, dass die Archivabgaben ueber Ihren Vater Franz Larisch, geb. 1912, gestorben 1944 in russischer Kriegsgefangenschaft, von unserer Suchgruppe in russischen Archiven aufgefunden worden ist.
Archivauskunft
Das Russische Staatliche Kriegsarchiv verfügt über Angaben darüber, dass LARISCH, FRANZ, geb. 1912 (und nicht 1914) deutscher Feldwebel war.
Sonstige Personalien sind in der Personalakte nicht vorhanden.
Am 16. November 1944 starb der Gefangene im Lazarett der 2. Lagerabteilung (Lager-Nr. ist in der Personalakte nicht angegeben) an Dystrophie*.
Sonstige Angaben über den Begräbnisort sind in der Personalakte nicht angegeben.
Während seines Aufenthaltes in der UdSSR wurde der Gefangene gerichtlich nicht verfolgt.
Ob die o.g. Informationen den Gesuchten betreffen, ist mit Sicherheit nicht festzustellen.
V.N. Kuzelenkov
Direktor des Russischen Staatlichen Kriegarchivs
Nr.436
den 28.08.2000
(*Dystrophie bedeutet Verhungern)
Meine Großmutter hat zu dieser Auskunft aus Moskau in die Familienchronik geschrieben:
`...In den russischen Akten ist das Geburtsjahr meines Vaters mit 1912 angegeben.
Aber in den Listen der Kriegsgräberfürsorge (basierend auf den Listen der ehemaligen Deutschen Dienststelle Berlin) wird er als einziger Larisch, Jahrgang 1914 geführt.
Und es gab darin keinen Larisch, Jahrgang 1912 !
In seinem letzten Brief hat mein Vater geschrieben, dass er wieder einmal befördert werden sollte. Es ist also durchaus möglich, dass er noch Feldwebel geworden ist.
Den Namen Franz Larisch gab es gab es allerdings in der Stalingrader Armee zweimal.
Mein Vater erzählte das in seinem einzigen Kriegsurlaub meiner Mutter. Der andere Franz Larisch war aber noch jünger als mein Vater...`
Meine Großmutter schrieb zur Sicherheit an die Deutsche Dienststelle in Berlin.
Das war während des Krieges die Wehrmachtsauskunftsstelle.
In der Dienststelle waren vermerkt:
-
die Geburtsdaten meines Urgroßvaters (richtig eingetragen: geb. 1914)
-
das Datum der Vermisstenmeldung (wie in der amtlichen Meldung von 1943 angegeben)
-
die Erkennungsnummer - 854 2./N.E.A. 8 (bis dahin in der Familie unbekannt)
-
aber keinerlei Dienstgrad (obwohl der Vermisste vor 1943 bereits schon einmal befördert worden war)
Mich hat die Suche nach dem Urgroßvater sehr beschäftigt.
Wie furchtbar muss es sein, allein und weit weg von zu Hause zu sterben!
Niemand erfährt, wo man geblieben ist. Man bekommt nicht einmal ein eigenes Grab.
Viele Jahre hoffen die Angehörigen, dass der Vermisste doch noch nach Hause kommt.
Dabei ist er längst nicht mehr am Leben!
Unsere Familie ist überzeugt davon, den richtigen Franz Larisch gefunden zu haben!
1912 oder 1914 ? Das wird vor 57 Jahren ein Übersetzungsfehler gewesen sein!
Und was besagt schon ein der Familie nicht mehr bekannt gewordener Dienstgrad?
Aber ein kleiner Zweifel bleibt immer!
Auf dem Grabstein meiner Urgroßmutter erinnern zwei Namen an die Schrecken des Krieges:
der Name der Schwester meiner Großmutter, die als vierjähriges Kind auf der Flucht durch verseuchtes Wasser starb, und der Name meines Urgroßvaters.