Stalingrad - Franz Larisch -
ein Soldatenschicksal von vielen
Zuerst will ich von meinen Urgroßvater berichten, der als Soldat in Stalingrad kämpfte. Von im gibt es noch einen Brief. Der Brief wurde ein halbes Jahr vor der großen Schlacht geschrieben. Er kam aus Charkow. Mein Urgroßvater schreibt darin an seine Frau (meine Urgroßmutter) über das Leben an der Front.
'im Osten 9.6.42
...... Nun geht es gleich beim Kerzenschein im leeren Wagen ans Beantworten. Natürlich ist der Wagen gut verdunkelt.
Morgen fahren wieder einige Urlauber, und die werden den Brief mitnehmen. So bekommst Du ihn auch noch schneller als die Feldpost........
Luftpostmarken haben wir heut wieder zwei bekommen. Eine bekommst du wieder, die nächste nach der Monatsmitte. So geht es nun immer. Eine vor und nach dem 15. jeden Monats. So oft ich kann, schreibe ich Dir, nach Möglichkeit jeden Tag. Ich habe die andere Post noch nicht erledigt. Erst kommst immer Du............'
'...ich habe wieder mal ausreichend Zeit. Es muss sich wieder was geändert haben, denn seit Tagen liegen wir fest ohne Auftrag und pflegen unsere Wagen, Körper, Wäsche, Fahrzeuge und ich noch extra mein Funkgerät. Nicht weit von Charkow ist in einem Wald unser Quartier...... Zu unsrer Freude ist auch bei uns die Sonne nach längerer Abwesenheit wieder zum Vorschein gekommen. Stiefeln und Tuchzeug werden nun endlich trocknen. ..... aber für die Nacht habe ich wenigstens nun eine wasserdichte Plane über dem schon sehr durchlässigen alten Verdeck. Und auf zwei Sitzpolstern kann ich ganz gut schlafen............
Als wir damals ankamen, hatte die Kompanie wieder einen.... überstürzten Rückzug hinter sich, daher die Erregung. Aus Betriebsstoffmangel mussten sie einen Wagen stehen lassen........'
Nach diesem Brief hat meine Urgroßmutter von ihrem Mann nichts mehr gehört.
Im November 1942 wurde die 6. Armee von russischen Truppen eingekesselt.
Es war Winter, die Soldaten hatten keine warme Kleidung und zu wenig Treibstoff für die Panzer.
Außerdem hatten sie sehr wenig zu essen.
Die Tagesration eines Soldaten bestand ab dem 9. Januar 1943 aus:
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75 Gramm Brot, 24 Gramm Gemüse
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200 Gramm Pferdefleisch mit Knochen,
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12 Gramm Fett,
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11 Gramm Zucker,
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9 ml Getränk,
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eine Zigarette
Die 6. Armee wollte nicht weiterkämpfen. Aber Adolf Hitler verbot die Kapitulation.
Die Rote Armee schnitt die Deutschen von allen Versorgungswegen ab.
Im Januar 1943 wurde die 6. Armee besiegt.
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ca. 250.000 deutsche Soldaten kämpften in der 6. Armee
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ca. 91.000 gerieten in Gefangenschaft
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nur 5.000 von ihnen kamen wieder nach Hause
Es dauerte lange, ehe meine Urgroßmutter etwas über das Schicksal ihres Mannes erfuhr. Erst im September 1943 erhielt sie eine Vermisstenanzeige.
Zu diesem Zeitpunkt war mein Urgroßvater 29 Jahre alt.
Das amtliche Dokument blieb erhalten.
Wehrkreiskommando VIII Breslau, den 2.9.43
Arbeitsstab Stalingrad
F.P.Nr. 09245
H.L.Nr. 7/34
Betr.: Obergefr. Franz Larisch
Sehr geehrte Frau Larisch!
Der Abschluß der Ermittlungen über das Schicksal Ihres Mannes, der zuletzt im Kampfraum Stalingrad eingesetzt war, hat keine restlose Klarheit erbracht. Er ist demnach seit 9.1.43 vermißt
Die Sowjet-Union lehnt die namentliche Bekanntgabe der in ihrer Hand befindlichen Kriegsgefangenen ab, obwohl ein derartiges Verhalten im Widerspruch zum Kriegsrecht steht.
Bemühungen internationaler Hilfsgesellschaften oder neutraler Staaten, die darauf abzielten, diese Haltung der Sowjet-Union zu ändern, sind leider bisher ergebnislos verlaufen.
Nachrichten, die über das Schicksal der Kriegsgefangenen umlaufen, sind unkontrollierbar und es besteht Anlass zu der Annahme, dass sie zur Irreführung sowie Beunruhigung weiter Volkskreise als feindliche Zweckpropaganda in die Welt gesetzt sind.
Ich bedaure daher tief, dass ich nicht in der Lage bin, Ihnen eine aufklärende Mitteilung und tröstende Gewißheit zukommen zu lassen.
Heil Hitler!
(Unterschrift)
M a j or und Leiter des Arbeitsstabes